Der Reiter der Apokalypse – Oder auch einfach: Hausbesuch vom Kinderarzt
Es ist Abend. Zeit zum Schlafen gehen. Doch irgendwie ist es heute anders. Es is ruhig. Zu ruhig. Madame hat sich in eine Ecke vertschüsst. Und blickt ins Leere. Sie wirkt müde. Irgendwie ganz anders als sonst.
Wird wohl daran liegen, dass wir den Nachmittag im Trampolinpark verbracht haben. Möchte nichts essen. Möchte gleich ins Bett. Und das freiwillig. Das macht mich stutzig. Kommt das doch sonst nie vor, dass Madame von sich aus ins Bett will. Ganz ohne Protest. Und ohne was gegessen zu haben. Na dann soll sie halt, denke ich mir, und stelle mich innerlich schon auf eine sehr lange Einschlafbegleitung meinerseits ein. Doch Nichts da – keine fünf Minuten später schläft sie. Tief und fest. Wird wohl richtig müde gewesen sein. Die kleine Maus.
In der Nacht werde ich den Gedanke nicht los, dass da nicht irgend etwas im Busch ist. Ich gehe also lieber einmal öfter zu Madame ins Zimmer und halte Nachschau. Ob alles in Ordnung ist. Routinemäßig greife ich ihr auf die Stirn. Und siehe da – sie ist brennheiß. Madame hat Fieber. Als hätte ich es geahnt. Müde hole ich sie zu uns ins Zimmer. Mir ist wohler, wenn sie bei uns schläft. Erstens muss ich nicht immer aufstehen, um nach ihr zu sehen. Zweitens bin ich gleich zur Stelle, wenn sie was braucht. Die Arme Maus. Naja, morgen sieht die Welt schon wieder anders aus. Bestimmt. Der Schlaf wird es schon richten.
Doch am Morgen ist es immer noch da. Das blöde Fieber. Kann man nichts machen. Da hat sie scheinbar tatsächlich etwas aufgeschnappt. Bleibt nur zu hoffen, dass es kein Scharlach ist. Treibt dieser Bösewicht nämlich bei der Tagesmutter gerade sein Unwesen.
Mich lässt der Gedanke nicht mehr los, dass sich Madame tatsächlich angesteckt haben könnte. Und dann sollte man ja eher schnell reagieren, als gar nicht. Nur wohin mit ihr? Es ist Wochenende. Die Kinderärzte haben zu. Das Krankenhaus ist auch keine Option – so schlimm ist es um sie auch wieder nicht bestellt. Da taucht aus den Tiefen meines Gehirns eine Information auf, die ich einmal abgespeichert habe: Bei uns gibt es ja den mobilen Kindernotdienst. Kinderärzte in Bereitschaft: Kinderärzte, die tatsächlich Hausbesuche machen. Fast zu schön um wahr zu sein, oder?
Ich ringe mit mir – ist das wirklich so ein Notfall, dass ich so einen Arzt jetzt kommen lassen soll? Ich bin nicht sicher. Ganz und gar nicht. Aber wenn die kleine Maus doch Scharlach hat? Ich gebe mir einen Ruck und wähle die Nummer. Die freundliche Dame am Ende der Leitung beseitigt dann auch meine letzten Zweifel. Und bestärkt mich in meiner Unsicherheit, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Außerdem verspricht sie mir sofort jemanden vorbei zu schicken. Man darf gespannt sein.
Keine zwanzig Minuten später klingelt es auch schon an der Tür. Der Arzt ist da. Ich mache auf und warte neugierig, wer da jetzt zu uns kommt. Die Lifttür geht auf und heraus kommt ein älterer Herr. Ganz in schwarz gekleidet. Langer Mantel. Schwarze Stiefel. Er erinnert mich irgendwie an einen Reiter der Apokalypse. Auch wenn sein Gesicht und seine Stimme super sympathisch sind. Na hoffentlich verheißt das nichts Schlechtes.
Tja leider komme ich nicht mehr weg von dem Gedanken des Reiters. Der erste Eindruck zählt. Oder so ähnlich. Dass er seinen Mantel nicht ablegen will, verstärkt das Bild nur noch mehr. Er spaziert also in voller Montur zu unserer kranken Madame ins Wohnzimmer. Nicht die beste Idee hier so aufzukreuzen. Sowieso schon weinerlich, steht ihr die Angst vor diesem Mann förmlich ins Gesicht geschrieben. Und so verweigert sie erst einmal alle Untersuchungen. Eh klar. Man muss an dieser Stelle aber trotzdem erwähnen, dass sich der Herr wirklich sehr bemüht. Und auch seine Art eine ausgesprochen liebe ist. Aber trotzdem. Mit viel Überredungskunst und unter Geschrei ihrerseits, schafft er es dann doch Madame zu untersuchen. Und gibt Entwarnung. Erst einmal. Es ist kein Scharlach. Vorerst. Ich bin beruhigt.
Tja am nächsten Tag sieht die Welt auch schon wieder anders aus. Madame ist schon wieder recht fit auf ihren zwei Beinen. Auch das Fieber ist verschwunden. Allerdings hat sich über Nacht etwas Anderes eingeschlichen. Es zieren rote Bläschen den Mund der kleinen Maus. Viele rote Bläschen. Was das wohl wieder ist? Wird wohl von ihrem Schnuller kommen, denke ich mir. Und sterilisiere diesen erst einmal.
Doch die Bläschen wollen nicht verschwinden – ganz im Gegenteil. Sie werden immer größer. Und größer. Was wenn das jetzt doch Scharlach ist? Die selbst ergoogelten Bilder sehen zwar anders aus, aber wie gesagt – sie sind ja auch nur ergoogelt. Was genau so viel wie gar nichts heißt. Also werden wir wohl oder übel noch einmal zum Arzt schauen müssen.
Ihr könnt euch vorstellen wie begeistert Madame von dieser Idee ist. Nämlich genau gar nicht. Viel zu sehr hat sie Angst davor, erneut dem Reiter der Apokalypse gegenüber stehen zu müssen. Das ist ja toll gelaufen, der Besuch am Wochenende. Aber es hilft alles nichts. Da muss sie jetzt durch.
Mit viel Überredungskunst (und der Aussicht auf ein neues Spielzeug-Auto) schaffen wir es, sie dann schlussendlich zum Arzt zu bekommen. Der uns dann gleich Entwarnung gibt: Scharlach ist es nicht. Hand-Mund-Fuß heißt der Übeltäter, mit dem wir es hier zu tun haben. Habe ich zwar noch nie gehört, aber wenn er es sagt. Er wird schon wissen wovon er spricht… Diese Kinderkrankheit ist zwar ebenso hoch ansteckend, aber Madame fehlt sonst, bis auf ihr normales Aufsehen, nicht mehr wirklich was.
Nach ein paar Tagen ist Madame dann auch wirklich über den Berg. Hüpft und springt, als wäre nie etwas gewesen. Und ich bin richtig erleichtert. Ein kranke Madame tut meinem Mamaherz nämlich nicht unbedingt gut.
Tja, dass der Frieden nicht lange halten soll, das ist dann wohl der Stoff für die nächste Geschichte….
Leave a reply