Das zweite Kind läuft einfach so mit
Das zweite Kind läuft einfach so mit – Ein Satz, den ich schon währen der Schwangerschaft immer wieder zu hören bekomme. Meistens habe ich dabei einfach nur stumm genickt und gelächelt (wie bei den meisten gut gemeinten Ratschlägen, die ich so bekommen habe). Denn so wirklich was anfangen konnte ich mit dem Satz eigentlich nichts.
Nichtsdestotrotz hat es dieser Satz geschafft tief im inneren meines Gehirns zu verbleiben und ab und an sogar an die Oberfläche zu tauchen. Doch mit jedem erneuten Nachdenkprozess über dessen Bedeutung kam ich immer weiter weg von einer für mich passenden Erkenntnis. Er musste wohl in irgendeiner Art und Weise bedeuten, dass ein weiteres Kind keinen weiteren Zusatzaufwand bedeuten würde. Oder so ähnlich. Auch wenn das wahrscheinlich nicht ganz auf unser Leben umzumünzen war (Madame war ein sehr pflegeleichtes Baby und wir hatten praktisch kaum Aufwand mit ihr, also musste sich ein zweites Baby ja irgendwie bemerkbar machen, oder?), gab ich mich vorerst einmal damit zufrieden.
Erst als Monsieur dann tatsächlich da war wurde mir bewusst, dass dieser Satz tatsächlich nicht nicht auf den Aufwand bezogen ist, sondern sich viel mehr auf sein eigenes (mein) Verhalten beruft:
Es ist Mittwoch Vormittag. In einer ruhigen Minute habe ich es mir auf der Couch gemütlich gemacht und beobachte aus den Augenwinkeln heraus, was Monsieur so treibt. Nichts Beunruhigendes, deshalb nehme ich es mir heraus für einen kurzen Moment meine Augen zu schließen. Als ich die Augen wieder öffne, falle ich fast von der Couch, so sehr erschrecke ich mich. Im positiven Sine wohlgemerkt. Denn auf einmal steht Monsieur neben mir und grinst mir ins Gesicht. Nichts Ungewöhnliches, bis auf den Fakt, dass er sich nirgendwo fest hält. Heißt soviel wie er steht da ganz alleine und versucht sogar einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er steht also da und probiert und grinst stolz vor sich hin, als könne er selbst kaum glauben, was er da macht.
Ich kann es auf jeden Fall noch nicht so ganz. Schon wieder ein Entwicklungsschritt, der einfach so passiert ist. Im Vorbeigehen quasi. Ganz ohne vorhergegangene Anzeichen. Zumindest ohne, dass sie mir aufgefallen wären. Bei Madame war das nämlich anders: Jedem noch so kleinen Meilenstein habe ich entgegen gefiebert. Habe tausend verschiedenen Seiten im Internet aufgesucht um mich innerlich auf den nächsten Schritt vorzubereiten. Um ihn dann, wenn er endlich da war, jedes Mal richtig zu feiern. Ich konnte bei bestem Willen nicht nachvollziehen, wenn sich jemand nicht auf gleichem Niveau wie ich gefreut hatte.
Tja und jetzt ist alles anders. Bei Monsieur passiert das alles tatsächlich nur so beiläufig. Ganz nebenbei. Ohne viel Tamtam. Da hat also der eingangs erwähnte Satz zum ersten Mal wirklich Bedeutung: Das zweite Kind läuft einfach so mit. Zumindest was die Meilensteine und Entwicklungsschritte betrifft.
Und nicht nur hier: Auch was das tägliche Unterhaltungsprogramm betrifft, läuft das bei Monsieur so mit. Während Madame doch recht viel Bespaßung unsererseits genießen durfte, beschäftigt sich Monsieur wunderbar alleine. Man möchte fast meinen, dass es ihm manchmal sogar mehr als nur recht ist, sich unbeobachtet zu fühlen, um sich so mit Ruhe und Hingabe Problemen aus seiner eigenen Welt widmen zu können.
Irgendwie logisch. Konnte Madame sich damals aussuchen mit was und wem sie wann spielen möchte, muss sich der kleine Mann behaupten. Gegen seine große Schwester. Und das dauernd. Denn findet Madame gerade etwas toll, dann muss es natürlich sofort in ihren Besitz übergehen. Da ist es mehr als logisch, dass Monsieur die Sekunden allein genießt, um zu spielen. Um zu forschen. Um zu erkunden. Ganz ohne nervige Störungen von außen.
Generell ist es so, dass ich beim zweiten Kind (also Monsieur) nicht mehr so hüpfe und springe, wie ich es bei Madame gemacht habe. Ich bin gelassener geworden. Heißt so viel wie ich sitze nicht mehr dauernd auf Nadeln und hüpfe beim kleinsten Mucks auf, sondern habe viel mehr gelernt die unterschiedlichen Schreitonlagen zu deuten. Ich wage sogar zu behaupten, dass ich mittlerweile easy zwischen Weltuntergangsdrama und harmloser Petzerei zu unterscheiden vermag. Das bedeutet zwar irgendwie auch weniger Aufmerksamkeit für Monsieur, was aber in keinem Fall mit weniger Liebe gleichzusetzen ist. Das zweite Kind läuft eben einfach so mit.
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