Marrakesch mit Kind und Kegel
Lange habe ich schon davon geträumt. Lange wollte ich schon einmal diese Stadt besuchen. In das Märchen von Tausendundeine Nacht eintauchen und den Orient erleben. Und jetzt ist es endlich Wirklichkeit. Wir sind soeben in Marrakesch gelandet.
Die Vorfreude ist riesig. Aber auch die Zahl der Gedanken, die ich mir im Vorfeld gemacht habe, ist hoch. Wie wird es sein, Marrakesch mit zwei Kleinkindern zu besuchen? Wie werden die Kinder die vielen Eindrücke aufnehmen? Wie wird es dem Herrn gefallen? Und mir? Ich muss zugeben, so viele Gedanken habe ich mir noch nie zuvor vor einer Reise gemacht. Aber ich habe noch nie zuvor von einem Ort so viele unterschiedliche Meinungen gehört, als von Marrakesch. Die einen sagen es ist Stress pur. Die anderen sagen es ist das Paradies. Wie auch immer, jetzt sind wir ja da und werden uns gleich selbst ein Bild davon machen können.
Samstag.
Schon beim Verlassen des Flughafens ist klar, wir sind in einer anderen Welt. Einer ganz anderen Welt, wie uns schon kurz darauf während der Taxifahrt zu unserem Riad vor Augen geführt wird. Als unser Taxifahrer quasi aus heiterem Himmel mitten auf der Straße anhält um aus dem Auto zu springen, nur um einem anderen Autofahrer lautstark seine Meinung zu dessen Fahrweise zu verkünden. Herrlich.
Als er dann kurze Zeit später plötzlich noch einmal mitten auf der Straße hält, aussteigt und beginnt unsere Koffer aus dem Auto zu laden, glaube ich sowieso, dass jetzt alles aus ist. Ist es zum Glück nicht. Denn nach kurzer Verfolgungsjagd durch einen dunklen Schlurf hinein in eine enge Gasse finden wir uns vor dem Eingangstor zu unserem Riad wieder. Tja, Marrakesch ist ein Abenteuer. Ein Satz, den ich schon so kurz nach unserer Anreise unterschreiben würde.
Nachdem sich die Tür zu unserem Riad öffnet finden wir uns zum zweiten Mal für heute in einer komplett anderen Welt wieder. Nämlich in einer Oase der Stille (vom Straßenlärm ist hier absolut nichts mehr zu hören) gepaart mit dem Gefühl direkt in ein Schöner Wohnen Magazin getreten zu sein. Am liebsten würde ich hier einziehen. Oder zumindest die gesamte Einrichtung zu uns nach Hause verschiffen.
Madame und Monsieur gefällt es auch. Vor allem der Pool übt eine magische Anziehung auf die beiden aus. Doch der muss heute erst einmal warten, haben wir nach der Reise ein riesiges Loch im Bauch, welches gestopft werden will. Logisch. Also machen wir uns gleich nach dem Ankommen schon wieder auf den Weg. Und zwar ins Getümmel der Medina Marrakeschs.
Und das ist Abenteuer pur. Als wir es nach mehreren Umwegen (den richtigen Weg zu finden ist selbst mit Beschreibung von Ortskundigen nicht so einfach wie gedacht) endlich etwas weiter in die Stadt hinein schaffen, wird mir klar was so viele, die schon einmal hier waren, mit dem Wort ’stressig‘ gemeint haben: Auf den Straßen geben sich Leute mit Eselkarren und Mopeds ein Stelldichein. Man muss ganz schön Aufpassen, niemandem in die Quere zu kommen. Gut, dass wir nach kurzer Zeit schon ein Restaurant finden, dass unseren Ansprüchen genügt aka etwas zum Essen für uns hat. Mehr steht dann nicht mehr auf dem Programm. Das frühe Aufstehen und die zweistündige Zeitverschiebung (die übrigens nur im Ramadan zwei Stunden beträgt) machen uns zu schaffen. Also geht es erst einmal wieder zurück in unser Riad. Die Welt können wir auch morgen noch zerreißen.
Sonntag
Für unseren ersten ganzen Tag in Marrakesch haben wir vorausgeplant. Und zwar einen Ausflug zum ANIMA Garden, dem Garten von André Heller. Das mit dem Planen ist zwar untypisch für mich, aber irgendwie war es mir wohler einen Fixpunkt, eine Anlaufstelle, zu haben, um uns langsam an Marrakesch gewöhnen zu können. Vielleicht war es aber auch meine Faszination für André Heller, die uns hierher geführt hat. So genau kann ich das gar nicht mehr sagen.
Egal. Schon der Hinweg zum Shuttle Abfahrtsplatz gestaltet sich nicht ganz so einfach wie gedacht. Die Medina gleicht auch bei Tageslicht einem Labyrinth. So schnell kann man gar nicht schauen, ist man schon im Kreis gegangen. Ohne Handy-Navi läuft hier nichts. Zumindest nicht für uns, denn uns bleibt nicht viel Zeit, fährt das Shuttle zum Garten ja nur alle zwei Stunden. Aber wir haben Glück. Mit ein bisschen Hilfe von einem Orangensaftverkäufer, der uns den Weg weist, schaffen wir es locker in der Zeit unseren Bus zu erreichen.
Es kann also los gehen. Monsieur verschläft fast die ganze Fahrt. Madame ist aufgeregt. Ich habe ihr nämlich im Vorfeld schon versucht den ‚Zaubergarten‘ schmackhaft zu machen. Mit ausgedehnten Geschichten über wundersame Kreaturen, die dort ihr zu Hause gefunden haben. Und tatsächlich. Dort angekommen kommt Madame aus dem Staunen nicht mehr heraus. Während Monsieur immer noch gemütlich schläft, haben die riesen Kakteen den Abenteuergeist in ihr erweckt. Mutig begibt sie sich tiefer, immer tiefer in den Garten hinein. Auf der Jagd nach neuen Pflanzen, Skulpturen und Zauberwesen. Es ist also alles eine Sache der richtigen Verkaufsstrategie um Gärten auch für Kinder interessant zu machen. Ihr gefällt es sogar so gut, dass sie gar nicht mehr wirklich zurück möchte. Müssen wir aber. Denn hier übernachten stelle ich mir schon ein bisschen gruselig vor. Dass der ANIMA Garden auch dem Herrn und mir richtig gut gefällt, geht bei ihrer Begeisterung fast unter.
Montag.
Am nächsten Tag sind wir schon risikobereiter und wagen uns ohne Plan und ohne Ziel tiefer in die Altstadt Marrakeschs. Auch wenn der Herr noch nichts von seinem Glück ahnt, möchte ich die vielen Geschäfte und Waren, die dort feilgeboten werden, begutachten. Und davon gibt es so einige. Dass das gemütliche Schauen alle paar Minuten von einem Motorradfahrer unterbrochen wird, der in halsbrecherischem Tempo durch die engen Gassen jagt, stört uns kaum mehr. Man könnte fast sagen wir haben uns daran gewöhnt. Selbst Madame und Monsieur halten sich beim Gehen brav an die Regeln und bleiben immer schön am Rand. Übrigens bereue ich es nicht unseren Kinderwagen mitgenommen zu haben. Die Straßen eignen sich ganz gut für Wägen mit großen Reifen. Und so kommen der Herr und ich auch mit zwei gehfaulen Kindern gut voran.
Das Labyrinth schaffen wir auch heute nicht zu durchblicken. Drei Mal umdrehen und man ist ganz wo anders, egal wie sehr man glaubt sich den Weg eingeprägt zu haben. Aber das gehört zu Marrakesch wohl dazu. Wir lassen es einfach drauf ankommen. Finden uns im ein oder anderen Cafe wieder, um eine kurze Auszeit im Schatten zu gönnen und das bunte Treiben zu beobachten. Auch am Einkaufen selbst kommen wir nicht vorbei. Madame und Monsieur haben gleich erkannt, dass es viele interessante Dinge für sie gibt. Auch mir gefallen plötzlich Sachen, von denen ich nicht einmal gewusst habe, dass diese existieren. Gut, dass wir nur mit leichtem Gepäck unterwegs sind, sonst hätte ich wohl ohne Maß und Ziel Dinge eingekauft…
Das Handeln macht mir übrigens sehr viel Spaß. Wieder etwas, das untypisch ist für mich. Denn der große Händler war ich noch nie. Aber wenn man sich an ein paar Gepflogenheiten hält und die Verkäufer beziehungsweise deren Waren wertschätzt, dann ist es ein Leichtes einen (für mich) guten Preis zu erzielen. Ein tolles Gefühl. Zumindest für mich.
Trotz dieser Erfolgserlebnisse freuen wir uns später wieder in die Oase unseres Riads zurück kehren zu können, die Beine hochzulagern und den Schatten zu genießen. Man mag es kaum glauben, aber macht ganz schön viele Kilometer über den Tag verteilt. Und das in Kombination mit Hitze ist ganz schön anstrengend.
Wir tanken also unsere Batterien wieder auf, um uns am Abend noch einmal tief in die Stadt zu begeben. Essen steht auf dem Programm. Und zwar verschlägt es uns ins Nomad. Ein tolles Restaurant über den Dächern Marrakeschs mit tollem Essen und noch tollerem Personal. Die Kellner bemühen sich sehr Madame und Monsieur bei Laune zu halten, sodass der Herr und ich uns alleine nur aufs Essen konzentrieren können.
Überhaupt sind uns nur außerordentlich kinderfreundliche Marrokkaner begegnet. Keine Spur von Aufdringlichkeit, vor der wir im Vorfeld auch gewarnt wurden. Selbst Monsieur – eigentlich ein Schüchterner – lässt sich gerne bespaßen und hat sogar so viel Vertrauen, dass er sich einfach so von ihnen durch die Gegend tragen lässt. Also ich hätte mir ehrlich gesagt alles andere erwartet.
Dienstag.
Für unseren letzten ganzen Tag hier in Marrakesch haben wir uns wieder einen Garten vorgenommen. Und zwar den Jardin Majorelle. Den Garten von Yves Saint Laurent. Da ich im Vorfeld nur Gutes davon gehört habe, machen wir uns voller Vorfreude auf den Weg dorthin.
Und der soll – wie das in Marrakesch nun mal so ist – ziemlich lange werden. Der Weg ist das Ziel. Oder so ähnlich. Egal. Ein paar Umwege später schaffen wir es tatsächlich den Garten zu finden. Und der ist leider etwas enttäuschend. Zumindest empfinde ich so. Denn im Vergleich zum ANIMA Garden ist der klein. Sehr klein. Und formulieren wir es einmal so: sehr gut besucht. Man hat ganz schöne Mühen voran zu kommen und gleichzeitig darauf zu achten nicht ein Foto zu crashen. Dafür ist die Sammlung an Kakteen beachtlich. Die in Kombination mit der blauen Farbe, welche hier omnipräsent ist, geben schon ein wunderschönes Bild ab. Auf jeden Fall mehrere Fotos würdig. Dennoch wird unser Aufenthalt hier kürzer als gedacht. Was aber niemanden stört, denn wir machen uns im Anschluss einfach noch ein paar schöne Stunden in unserem Riad, ehe es für uns am nächsten Tag auch wieder nach Hause geht.
Marrakesch mit Kindern ist definitiv eine Reise wert. Ich bereue es keine Sekunde dieses Abenteuer gewagt zu haben. Man muss es zwar mit Kindern etwas langsamer angehen und – ganz wichtig – auf deren Bedürfnisse eingehen. Aber wenn man selber ganz entspannt an die Sache heran geht. Dann sind sie es auch. Zumindest unsere.
Übrigens, wenn man Madame zu unserer Reise befragt, dann sagt sie heute noch, dass sie am liebsten hier wohnen möchte. Wie viel Gewicht man dieser Aussage geben kann, da bin ich mir nicht ganz so sicher, hat sie das ja noch fast von jedem Ort an dem sie war, behauptet ;). Vor allem die Schlangenbeschwörer und der Pool haben es ihr angetan. An letzteren könnte auch ich mich gewöhnen. Tja, müssen wir eben einmal wieder kommen. Und das werden wir bestimmt.
2 Comments
Corina Sattelmaier
Was für ein toller Bericht! 🙂
Das bestätigt uns, mit unserer 4 Jährigen Tochter auch Marrakesch zu reisen 🙂
Darf ich fragen, in welcher Unterkunft ihr ward?
Danke und liebe Grüße
Madame M.
Hallo liebe Corina!
Wir waren im Riad Alia: http://riadalia.hotels-marrakesh.com/de/
und haben es dort geliebt!
Liebe Grüße
Lisa