Die Bilderfabrikanten
Es ist Dienstag Nachmittag. Etwas etwas außer Atem, kämpfe ich mich nämlich gerade die Stiegen zum Kindergarten empor. ** Schwitzend, weil viel zu warm angezogen. Um Luft ringend, wegen der Maske. Aber voller Vorfreude darauf, Madame und Monsieur nach einem langen Tag wieder in die Arme schließen zu können! Ein ganz normaler Nachmittag unter der Woche also.
Oben angekommen geht es gleich in den Garten. Denn die Kinder sind so gut wie immer hier zu finden. Recht haben Sie. Draußen ist es doch viel schöner als drinnen. Viel mehr Platz zum Spielen und Toben. Und vor allem viel frische Luft die dafür sorgt, dass die beiden abends ganz schön müde sind.
Monsieur erblickt mich gleich und stürmt auf mich zu. Madame versteckt sich noch im Garten, die müssen wir erst suchen. Beziehungsweise ich. Monsieur nutzt nämlich die Zeit um mir seine draußen gefundenen Schätze zu bringen. Und das sind einige. Von Blättern über kleine Zweige bis hin zu Kastanien ist heute alles dabei. Zurückgelassen werden darf natürlich nichts. Logisch. Tja, drei Mal dürft ihr raten wer diese nach Hause tragen darf. Richtig. Wahrscheinlich ich.
In der Zwischenzeit ist auch Madame aufgekreuzt. Diese hat ebenso Schätze mit dabei. Aber nicht in Form von Naturmaterialien, sondern in Form von Bildern. Vielen Bildern. Alles selbst gemalt. Eines bunter als das andere. In allen Größen und Formen. Auch Papierschnipsel finden sich darunter. Und dazu muss ich gleich festhalten: Wehe, die werden nicht mindestens gleich bestaunt wie die anderen Bilder. Vom ‘versehentlichen’ Wegwerfen dieser will ich gar nicht erst reden. Denn dann ist Feuer auf dem Dach garantiert. Und wieder dürft ihr drei Mal raten wer diese, neben all den Schätzen von Monsieur, Hauben und Handschuhen nach Hause tragen darf…
Doch damit nicht genug. Am Weg nach draußen fällt auch dem kleinen Monsieur plötzlich ein, dass er noch ein paar (zwanzig) Bilder in seiner Lade hat, die ebenso bewundert und in weiterer Folge auch mit heim genommen werden müssen. Klar. Gleiches Recht für alle. Nur nicht für mich. Denn ich muss tragen. Oder so ähnlich.
Wobei müssen tu ich das eigentlich nicht. In Wahrheit ist es so, dass der kleine Kerl diese noch nicht alle auf einmal mit seinen kleinen Händen greifen kann. Beziehungsweise hat er über längere Strecken hinweg einfach noch kein System, dass diese auch alles auch heil zu Hause ankommt. Auch Madame verschusselt ihre Bilder gerne einmal auf halber Strecke. Um uns daraus resultierende Dramen zu ersparen, greife ich lieber einmal mehr selber mit an.
Mit Müh und Not sortiere ich also die vielen Dinge in meinen Händen. Ein Sackerl wäre definitiv von Vorteil gewesen. Hat Frau von heute allerdings nicht mehr so oft dabei. Auf halbem Weg nach unten fällt Monsieur noch dazu ein, dass er aufs WC muss. Gut, dass Madame ihm auch schon zur Hilfe eilt, denn ich bin dank meines Packesel-Daseins nicht ganz so rasch im Reagieren. Und wer Kinder hat weiß, es geht hier oft um Sekunden…
Am Heimweg ist die Thematik zum Glück schnell wieder vergessen. Denn ich bin mit dem Fahrrad hier. Und dieses hat glücklicherweise einen Korb wo alle Schätze drinnen Platz finden.
Daheim angekommen fällt Madame ein was sie heute im Kindergarten alles vergessen hat zu malen und verschanzt sich in ihrem Zimmer. Monsieur spielt mit seinen Schätzen aus dem Garten und ich werfe die vielen Bilder des heutigen Tages in unsere überquellende Bilder-Lade. Das Sortieren und jedes Bild mit Datum zu beschriften habe ich schon lange aufgegeben. Denn diese Zeit möchte ich mir bei der Menge an Bildern, die täglich neu hinzukommen, nicht mehr nehmen. Hier wird lediglich noch nach dem Künstler – also Monsieur oder Madame – unterscheiden. Und das wars.
In Gedanken versunken, ob ich das System nicht doch noch ändern sollte, kommt auch schon Madame um die Ecke gebogen. Und auch der kleine Monsieur ist wieder auf den Geschmack gekommen. Hat sich an Madames Schreibtisch breit gemacht um mitzuwirken an der Bilderproduktion. Recht haben Sie. So lange es ihnen Spaß macht…
Tja, so läuft das bei uns an vielen Tagen der Woche. Überall im Haus sind dann Bilder zu finden, die es entweder aufgrund meiner Faulheit nicht in die Lade schaffen, oder zu Dekozwecken von Madame und Monsieur an Wände geklebt oder wo anders platziert werden. Das ist zwar super schön mit anzusehen wie die beiden sich kreativ ausleben, andererseits aber auch ganz schön nervig. Vor allem wenn Madame sich von einer Sekunde auf die nächste einbildet ein Bild oder einen ihrer Papierschnipsel aus den letzten Wochen zu brauchen. Und das so schnell wie möglich. Nur wie soll ich das nun besorgen? Das kann sich nur um Stunden handeln.
Genau aus diesem Grund beziehungsweise der Überforderung meinerseits mit solchen Aufgabenstellungen umzugehen, habe ich beschlossen aus allen Kunstwerken der Kinder Bücher zu machen. Habe jedes einzelne Bild fotografiert, bearbeitet und digital zusammen gestellt (per Zufallsprinzip wohlgemerkt). Das ist zwar auch richtig viel Arbeit. Die sich aber lohnt. Denn das Chaos wird weniger (Ich habe nach Absprache mit den Kindern die Bilder bis auf wenige Ausnahmen weggeworfen). Außerdem werden die Zeichnungen so wieder viel öfter bewundert und müssen nicht in der Versenkung auf bessere Zeiten warten. Und nicht nur das: Madame liebt es ihr eigenes Buch zu haben und präsentiert dies stolz jedem, der zu uns zu Besuch kommt. Also alles richtig gemacht.
**Mittlerweile müssen wir die Kinder draußen vor der Tür entgegen nehmen. Das erfordert zwar zum einen ein bisschen mehr Planung und weniger Flexibilität, zum anderen muss ich aber sagen: Ich war noch nie so schnell beim Abholen wie jetzt.
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