Lockdownstories
– Von umgeworfenen Palmen und Wasserspritzpistolen in der Wohnung
Tja nun sind wir schon in Woche drei des zweiten Lockdowns unseres Lebens. Obwohl der Herr und ich dieses Mal beide im normalen Umfang arbeiten, haben wir uns dafür entschieden Madame und Monsieur nicht im Kindergarten betreuen zu lassen. Sondern es selbst zu machen. Das ist zwar ein klein wenig herausfordernd, aber im Großen und Ganzen doch recht passabel machbar.
Was zum einen an unserer größeren Wohnung liegt, in der wir mittlerweile wohnen (sogar mit Balkon) und zum anderen sicher daran, dass wir seit dem ersten Lockdown so einiges gelernt haben. Wie zum Beispiel das: Es funktioniert nur, wenn der Herr und ich klare Zeiten definieren, wann der eine arbeitet und der andere für die Kinder da ist. Denn sobald diese Grenzen verschwimmen wird es schwierig.
Wenn man alles unter einen Hut bekommen möchte, heißt das aber auch, dass man seine eigenen Bedürfnisse großteils hinten anstellen beziehungsweise in den Abend verschieben muss. Denn sonst ist Chaos vorprogrammiert.
Heute bin ich an der Reihe die Kinder zu bespaßen und mit ihnen tolle Stunden zu erleben. Das ist zwar schön, die Welt wieder vermehrt durch Kinderaugen sehen zu dürfen, kann aber auch ganz schön anstrengend sein. Vor allem wenn man es allen Recht machen will. Mir inklusive. Deswegen nutze ich gerne die kurzen Momente, in denen Madame und Monsieur gemeinsam spielen, um etwas Arbeit zu erledigen, oder Kleinigkeiten für mich zu machen.
Zu diesen Kleinigkeiten zähle ich übrigens das in Ruhe Kaffeetrinken genauso wie das Kochen. Auch wenn ich bei Letzterem die Kinder schon gerne miteinbeziehe, genieße ich es auch alleine kreativ in der Küche sein zu können. Ganz ohne Anweisungen geben oder Madame und Monsieur hinterher wischen zu müssen.
So auch heute. Madame und Monsieur spielen gerade wunderbar ruhig zu zweit in ihrem Zimmer. Zu ruhig? Auch wenn diese verdächtige Ruhe nicht immer etwas Gutes verheißt nutze ich die Zeit um das Mittagessen zuzubereiten. Genieße die Stille. Schnipple mein Gemüse. Denke vor mich hin…
… Bis es mich auf einmal eiskalt erwischt. Eiskalt von hinten. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Im ersten Moment kann ich nicht einordnen, was gerade passiert ist. Erst nach einigen Sekunden kann ich sagen, was es ist, das mir diesen Schauer hier verschafft: Ich bin waschelnass. Und zwar von oben bis unten.
Ich weiß mir nicht anders zu helfen, als zu schreien. Die Kälte. Der Scheck. Hinter mir ist leises Kichern zu vernehmen. Das Kichern von zwei kleinen Kindern, die mit ihrer Spritzpistole dastehen und mich mit großen Augen ansehen.
Ich bin auf hundertachtzig. Würde am liebsten losheulen, denn ich weiß mir nicht zu helfen. Weiß überhaupt nicht wie ich reagieren soll. Schaffe es nicht reflektiert zu sagen, ob ich die Aktion verteufeln oder doch gutheißen soll. Denn neben meiner Hilflosigkeit und der Wut, ist da tief in mir drinnen auch noch die lachende Mama, die sich durch die Hinterlist ihrer Kinder an ihre eigene Kindheit erinnert fühlt. Aber kann ich sie das jetzt wissen lassen?
Ich entscheide mich im ersten Moment dagegen und verdonnere die Beiden zum Aufwischen. Ganz nach dem Motto ‘man muss sich den Konsequenzen bewusst sein’. Gleichzeitig wird mein inneres Grinsen über die Aktion immer größer.
Am liebsten würde ich es Madame und Monsieur sagen. Ihnen sagen, dass ich sie insgeheim feiere. Mache ich aber nicht. Ich bleibe standhaft und ziehe meine ‘strenge Mama Tour’ durch. Denn so schnell kann ich gar nicht schauen fällt mir meine sonst oft so mangelhafte Konsequenz bei der nächsten Aktion wieder in den Rücken. Die beiden schlafen nämlich nie. Vor allem dann nicht wenn sie mit ihren Feldzügen ungeschoren davon kommen.
Nichtsdestotrotz tut mir mein Verhalten im Nachhinein fast schon leid, so lieb wie sie sich bemühen die von ihnen verursachten ‘Schäden’ wieder zu beseitigen. So bin ich. Im ersten Moment aufgeladen auf hundertachtzig. Kurz darauf entladen, sanft und leicht geplagt von Schuldgefühlen…
Wie auch immer. Ich beschließe, dass es wieder an der Zeit ist, mich dem Mittagessen zu widmen. Madame und Monsieur ziehen von Dannen. Also alles wieder auf Anfang zurück. Während ich wieder einigermaßen ruhig in der Küche stehe, mein Gemüse schneide und in Gedanken hoffe, dass die beiden es dieses Mal beim harmlosen Spielen belassen, höre ich ein lautes Rumsen aus dem Schlafzimmer.
Ich hüpfe auf wie eine aufgescheuchte Hummel, das schlimmste erwartend, und stürme zu den Beiden. Was ich da sehe gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht. Mich trifft fast der Schlag, denn überall im Zimmer liegt Erde verstreut. Und mitten drinnen unsere ziemlich hilflos aussehende Palme. Mir stellt sich nur eine Frage: Wie um alles in der Welt habe die Beiden das in so kurzer Zeit so hinbekommen?
Wobei – eigentlich will es gar nicht so genau wissen. Ich versuche einen kühlen Kopf zu bewahren und zu retten, was zu retten ist. Dafür brauchen wir zwei Dinge: Den Staubsauger und ein Glas Wasser. Denn bei der Palme muss ein bisschen gekleistert werden. Aufgrund akuten Erdmangels bleibt diese nicht mehr sonderlich gut alleine im Topf stehen.
Ich schaufle also die verstreute Erde so gut es geht wieder in den Topf. Monsieur holt den Staubsauger. Madame das Glas Wasser. Allerdings dauert das ganz schön lange für meinen Geschmack. Zu lange. Als ich Nachschau halte sehe ich auch gleich warum: Madame ist das Wasserglas entglitten. Monsieur möchte das Wasser mit dem Staubsauger einsaugen. Ich schreie nur noch neeeeeiiiiiiiiiiiiin.
Gerade noch rechtzeitig bevor der neue Staubsauger einen Schaden davon trägt. Den Rest dürfen die beide dann aber selber machen. Ganz ohne mein Eingreifen. Denn jetzt muss ich mich wirklich ums Mittagessen kümmern. Mein Magen knurrt schon.
Kurze Zeit später kommen sie auch schon stolz um die Ecke gebogen. Alles beseitigt. Die Palme und die Erde im Topf beziehungsweise im Staubsauger. Sogar aufgeräumt haben sie. Richtig toll. Zwar ein bisschen anders, als ich es tun würde, aber wen juckt das schon?
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