Das Autofahrroulette
– Du weißt nie, was du bekommst!
Wir sitzen im Auto – Madame, Monsieur, der Herr und ich – und befinden uns gerade am Rückweg von einem tollen Wochenende bei Oma und Opa. Die Autofahrt verläuft wider Erwarten ruhig. Zu ruhig. Der Herr und ich haben nämlich Zeit um in Ruhe zu reden. Mehr als sonst. Das kommt mir verdächtig vor. Wir haben doch nicht etwa die Kinder vergessen?
Ein Blick über meine Schulter verrät: Alles im grünen Bereich. Madame und Monsieur sind beide dort wo sie sein sollen. Allerdings ist da etwas anderes, was meine Alarmglocken schrillen lässt: Beide Kinder schlafen. Und das tief und fest.
Nur Eltern verstehen auf Anhieb die Dramatik hinter dieser (Schein)Idylle. Es ist ein ewiges Hin und Her. Einerseits schätzt man die Ruhe, die man auf einmal hat. Ohne während der Fahrt die hundertste Geschichte erzählen zu müssen. Ohne das tausendste Lied singen zu müssen. Ohne Streit schlichten, zum wiederholten Mal das heruntergefallene Spielzeug aufheben, oder eine Antwort auf die Frage – Wann sind wir endlich da? – finden zu müssen. Ja das kann schon was.
Andererseits gibt es auch eine Zeit nach dieser Idylle. Man könnte auch von diversen Szenarien sprechen, von denen mindestens eines eintreten und der angenehmen Ruhe früher oder später ein Ende bereiten wird:
Szenario Nummer eins.
Beide Kinder schlafen so lange, bis wir unsere Parkposition erreicht haben. Und wachen – wie soll es auch anders sein – just in der Sekunde auf, in der der Motor abgestellt wird. Anders als befürchtet sind sowohl Madame und Monsieur gut gelaunt und motiviert den verbleibenden Weg zur Wohnung auf eigenen Füßen zurückzulegen. Dieses Szenario ist die beste Variante, wenn man zudem noch viele Sachen zu schleppen hat und vor allem (so wie ich) zu faul ist, zwei Mal zu gehen. Nachteil an der Geschichte: Abends, wenn es dann zum Schlafengehen wäre, bekommt man die Rechnung präsentiert. Denn da ist dann Party angesagt. Und wenn man Pech hat geht die bis in die späten Abendstunden. Tja, vorbei ist es mit der trauten Zweisamkeit, an die man sich während der Autofahrt schon gewöhnt hat.
Szenario Nummer zwei.
Beide Kinder schlafen wieder so lange, bis wir unsere Parkposition erreicht haben. Und wachen auch diesmal just in der Sekunde auf, in der wir den Motor abstellen. Bis dahin ist es also gleich wie in Szenario Nummer eins. Mit einem kleinen, aber signifikanten Unterschied: Das Aufwachen verläuft alles andere als ruhig, sondern mit einem Konzert der Extraklasse, welches meistens an Lautstärke nicht zu überbieten ist. Also wird erstmal alles stehen und liegen gelassen und gekuschelt was das Zeug hält. Und zur Schadensbegrenzung für mithörende Zaungäste läuft es schlussendlich auf den Trageservice vom Herrn und mir heraus. Dass die Zaungäste aber trotzdem noch auf ihre Kosten kommen, natürlich in perfekter Gypsy-Travel-Manier. Denn das viele Zeug muss ja auch noch mit. Denn zwei Mal gehen ist auch in diesem Szenario nicht drin!
Szenario Nummer drei.
Madame und Monsieur erwachen noch während der Fahrt aus ihrem Schönheitsschlaf, hoffen aber, dass weder der Herr und ich das mitbekommen und stellen sich schlafend. Vor allem Madame hat diese Kunst perfektioniert. Enden tut dieses Szenario genau gleich, wie Szenario zwei. Zeitgleich mit dem Insbetthineinlegen der beiden, stehen sie auch schon wieder auf der Matte und sind bereit für den Partyabend.
Szenario Nummer vier.
Schon ein paar Minuten vor errechneter Ankunftszeit geht es los. Die Aufwachphase hat begonnen. Und wie soll es anders sein – geht die natürlich auch mit Weinen einher. Sei es ob des Orientierungsverlusts, oder bloß ob des Erkennens, dass es wohl mit dem Trageservice heute nichts wird. Man weiß es nicht so genau. Auf jeden Fall ist der Rest der Fahrt nicht mehr ganz so entspannt. Auch das Ende verläuft unentspannt und gleicht dem von Szenario Nummer zwei. Mitsamt Party und Halligalli am Abend. Eh klar.
Szenario Nummer fünf.
Wir haben einen Parkplatz gefunden, den Motor abgestellt und immer noch zwei schlafende Kinder auf der Rückbank. Innerlich lässt mich das jubeln. Jetzt brauchen wir nur noch beide Kinder zu schnappen, nach oben zu tragen, in ihre Betten zu legen und da weiter zu machen, wo wir noch während der Autofahrt angefangen haben: Die schöne Zweisamkeit genießen. Dass einer von uns wahrscheinlich zwei Mal gehen muss, um das viele Zeug in die Wohnung zu tragen, ist mit dem Ausblick nebensächlich. Also nichts wie los, ab mit den schlafenden Kindern in die Wohnung, ins Bett, um sie kurze Zeit später wieder voll ausgeschlafen im Partymodus im Wohnzimmer sitzen zu haben. Tja. Dumm gelaufen. Adieu schöne Zeit zu zweit – Hallo Party zu viert. Vielleicht klappt es ja beim nächsten Mal.
Szenario Nummer sechs.
Beide Kinder schlafen noch tief und fest, sogar wenn das Auto schon still steht und der Motor auch keine Geräusche mehr von sich gibt. Selbst auf wiederholte Aufweckversuche gibt es keinerlei Reakion. Es schaut also gut aus, für den Herrn und mich. Jetzt müssen wir es nur noch schaffen, Madame und Monsieur möglichst sanft auf unsere Arme zu nehmen und in die Wohnung zu tragen. Wenn wir es darüberhinaus noch schaffen, ein paar unserer Dinge zu schnappen, haben wir sowieso schon halb gewonnen. Jetzt gilt es nur noch die Kinder im schlafenden Zustand zur Tür herein zu bringen und sie möglichst minimal invasiv in ihre Betten zu legen, so dass sie dort weiter schlafen. Während einer von uns dann vor dem Kinderzimmer Wache schiebt, obliegt es dem anderen die restlichen Sachen aus dem Auto zu holen. Wenn die Kinder danach immer noch schlafen ist Zeit in Jubel auszubrechen, es sich am Sofa gemütlich zu machen und diese Meisterleistung Revue passieren zu lassen und zu analysieren, so dass dieses Kunststück auch nach der nächsten Autofahrt genau in der gleichen Form wiederholt werden kann.
Drei Mal dürft ihr raten, welches Szenario nach dieser Autofahrt eingetreten ist? Natürlich Szenario Nummer zwei. Inklusive Party und allem. Tja, vielleicht beim nächsten Mal wieder.
Leave a reply