Mamas erster Tag im Kindergarten
Endlich ist es soweit. Nach tage-, wenn nicht sogar wochenlangem Entgegenfiebern ist er endlich gekommen. Der erste Tag im Kindergarten.
Nichtsdestotrotz – So wirklich vorbereitet sind wir nicht. Die mitzubringenden Dinge sind zwar (wenn auch im letzten Abdruck) schon besorgt. Aber zusammengepackt haben wir noch nichts. Gar nichts. Auch die vielen Formulare müssen noch ausgefüllt und unterschrieben werden. Und das ist doch mehr Arbeit als gedacht. Dementsprechend chaotisch läuft der letzte Abend vor dem großen Tag noch ab.
Der nächste Morgen steht dem aber um nichts nach. Nach einem eher unruhigen Schlaf meinerseits, fallen mir am laufendem Band Dinge ein, die ich noch vergessen habe einzupacken. So passiert es, dass tatsächlich ein Teil der Dinge zuhause liegen bleibt. Es wäre wohl doch nicht so verkehrt gewesen, die Checkliste vom Kindergarten etwas genauer zu studieren. Naja, jetzt hilft diese Erkenntnis auch nicht mehr viel. Und das ganze Trara hat auch etwas Gutes: Es lenkt mich ganz gut von meiner Nervosität ab, die sich still und heimlich in mir breit gemacht hat und dabei ist, Überhand zu gewinnen.
Nach gefühlten Stunden sind wir endlich fertig und ausgehbereit. Madame, Monsieur, der Herr und ich. Denn wir alle lassen uns das nicht nehmen an Madames erstem Tag im Kindergarten dabei zu sein. Zumindest am Anfang. Denn glauben können wir es alle noch nicht: Madame im Kindergarten – ein neuer Abschnitt beginnt.
Als wir dann endlich vor der Tür stehen, ist die Spannung gar nicht mehr auszuhalten. Zumindest für mich. Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Ich bin super nervös. Wie wird das alles sein? Was müssen wir tun? Wo müssen wir hin? Müssen wir uns bei irgendjemandem anmelden? Fragen über Fragen, die da in meinem Kopf Achterbahn fahren. Madame ist da schon etwas cooler, was das betrifft, aber dennoch sehr aufgeregt.
Wir öffnen die Tür. Steigen die Stiege nach oben. Mit jedem Schritt werde ich nervöser. Mir ist fast schon schlecht vor lauter Aufregung. Ich kann nicht mehr klar denken. Oben angekommen stehen wir erst einmal orientierungslos herum. Was sollen wir als erstes machen? So planlos und unsicher war ich selten zuvor. Gut, dass in dem Moment gerade eine Betreuerin um die Ecke biegt und uns mit offenen Armen empfängt. Madame steht da und grinst. Ich würde es ihr gleichtun, hätte ich nicht gleich von dieser Betreuerin die Aufgabe bekommen, Madames Garderobenhaken zu finden. Beschäftigungstherapie deluxe, die wahre Wunder gegen meine Nervosität und die damit verbundene Planlosigkeit bewirkt.
Allerdings nur für kurze Zeit. Denn diese Aufgabe haben wir recht – was auch nicht anders zu erwarten war, wir sind ja doch in einem Kindergarten – recht schnell bewerkstelligt. Es geht also weiter mit Hilflosigkeit meinerseits. Gut dass der Herr das Zepter in die Hand nimmt und uns alle erst einmal in einen der Gruppenräume lotst.
So viele neue Gesichter überall. Mir fällt es schwer zu beurteilen, wer hier nun zum Kindergarten gehört und wer nur der Anhang ist. So wie wir. Während der Herr und Monsieur erst einmal einen Kaffee trinken und alles in Ruhe auf sich wirken lassen, sind Madame und ich gleich mitten im Geschehen. Beziehungsweise finden wir uns in der Leseecke wieder. Madame, unsere kleine Leseratte, möchte, dass ich ihr eine Geschichte vorlese. Das ist mein Glück – so muss ich nicht weiter planlos in der Gegend herum stehen, sondern habe eine weitere sinnvolle Aufgabe.
Nach kurzer Zeit gesellt sich auch ein anderes Kind zu uns und lauscht meinen Worten. Ob das Kind weiß, dass ich ’nur‘ eine Mama bin? Wer weiß. Ich werde es wohl nie erfahren. Wie auch immer. Nach der dritten Geschichte schlafen mir die Füße ein. Ich versuche zwischen Madame und dem Kind zu vermitteln. Vielleicht wollen sie sich ja gemeinsam im Kindergarten umsehen.
Doch meine Vermittlungsversuche schlagen fehl. Madame möchte sich lieber in Ruhe weiter umsehen. Und zwar mit mir im Gepäck. Zielstrebig setzt sie sich in Bewegung. Gut, dass wenigsten sie weiß was sie will und was zu tun ist. So lasse ich mich von ihr an der Hand nehmen und durch den Kindergarten schleifen. Als sie ein paar Minuten später auch die ersten bekannten Gesichter entdeckt, bin ich auf einmal abgemeldet. Also geselle ich mich zum Herrn und Monsieur und verfalle in die Rolle des stillen Beobachters.
Als sie sich einzige Zeit später noch immer nicht bei uns meldet, beschließen der Herr und ich uns unserem Bauchgefühl hinzugeben und Madame erst einmal alleine zu lassen. Unter großem Protest des kleinen Monsieur. Denn er wäre natürlich auch gerne hier geblieben. Logisch. Bei dem vielen Spielzeug, was es hier zu entdecken gibt.
Beim Verlassen des Kindergartens sind meine Gefühle gemischt. Einerseits ist hier Stolz. Andererseits Wehmut. Und auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole: Wie kann es sein, dass die kleine Madame auf einmal so groß ist und schon in den Kindergarten geht? Ich will es irgendwie gar nicht so recht glauben.
Die folgenden Stunden bin ich nicht hundert Prozent bei der Sache. Meine Gedanken schweifen immer wieder ab. Zu Madame. Zu der Frage, wie es ihr wohl geht. Wird es ihr gefallen? Ich kann mich nämlich noch zu gut an meine Kindergartenzeit und die Gefühle, die da in mir waren, erinnern. Und die waren durchwachsen. Von himmelhoch jauchzend bis hin zu Tode betrübt – es war alles mit dabei. Was aber nicht heißen muss, dass es Madame genau so gehen wird.
Endlich ist die Zeit gekommen, an der wir Madame wieder abholen sollen. Für den ersten Tag soll es nicht zu lange sein, damit sie die Lust nicht verliert. Mir ist das mehr als Recht. Denn auch wenn ich mir sicher bin, dass Madame das locker wegsteckt – länger halte ich es nicht aus.
Pünktlich mit dem Öffnen der Tür des Kindergartens ist auch sie wieder zurück: Die liebe Nervosität. Oben angekommen weiß ich erst einmal nicht wohin. Was soll ich tun. Wo soll ich Madame suchen? Muss ich etwas zu den Betreuerinnen sagen? Muss man beim Abholen etwas beachten? Wieder einmal sind es Fragen über Fragen, die in meinem Gehirn eine Party feiern. Ich fühle mich so richtig orientierungslos. Wie an meinem ersten Tag im Kindergarten.
Gut, dass Madame just in dem Moment um die Ecke biegt. Mich an der Hand nimmt und mich begleitet. Denn zu zweit schafft man alles viel leichter.
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