Mama allein unterwegs in Neapel
Es ist wieder einmal so weit. Mama geht auf Reisen. Das Ziel der Reise: Neapel. Und das ganz alleine. Heißt also ohne Madame, Monsieur und den Herrn. Gut, ganz alleine bin ich auch wieder nicht. Denn mit von der Partie sind meine lieben Arbeitskollegen und – da ich im Familienunternehmen arbeite – auch meine Schwester, sowie meine Eltern. Dennoch eine ungewohnte Situation, in der ich mich befinde, war ich doch sonst meistens mit zumindest einem, der drei vorhin genannten, on Tour.
Meine Gefühle im Vorfeld sind (wie so oft) gemischt. Einerseits herrscht jetzt schon (obwohl ich noch gar nicht weg bin) große Vermissung. Andererseits sind hier aber auch Gefühle der Vorfreude auf ein paar Tage alleine mit Sonnenschein, Wärme und Meer, gepaart mit dem Wissen, dass Madame und Monsieur mit dem Herrn eine richtig tolle Zeit haben werden, die schlussendlich doch überwiegen. Gut so.
Donnerstag.
Also nichts wie los. Kurz und schmerzlos verabschiede ich mich von der noch schlafenden Bande. Allen Erwartungen zum Trotz muss ich wieder einmal feststellen: Es ist dann doch einfacher zu verlassen, als verlassen zu werden. Erst im Flugzeug, als wir gewitterbedingt über Neapel kreisen müssen, kommen mir die ersten Gedanken an meine Lieben. Zu gerne würde ich gerade neben ihnen sitzen und das gerade Erlebte mit ihnen teilen. Geht aber nicht. Bleibt also nur die Option eine WhatsApp-Nachricht ins Leere (Stichwort Flugmodus) zu verschicken. So sind die Gedanken geteilt und somit aus den Augen und aus dem Sinn. Beziehungsweise aus meinem Kopf. Doppelt gewonnen quasi.
Kurze Zeit später sind wir dann schon wieder auf dem Boden. Sicher angekommen in Neapel, der Stadt der Pizza Margherita. Jetzt gilt es erst einmal alles Neue aufzusaugen und das Hier und Jetzt zu genießen. Und das macht mich richtig glücklich, denn das ist mitunter das, was ich am liebsten tue: Eine fremde Stadt entdecken.
Der erste Weg führt uns nach dem Einchecken im Hotel auch direkt weiter in die Innenstadt Neapels. Die paar Tage müssen genutzt werden, sonst kann man ja gleich zu Hause auch bleiben. Logisch. Also ab in die Stadt um zu essen, flanieren und alles auf einen wirken zu lassen. Dabei muss ich wieder einmal feststellen: So eine Ortsveränderung tut richtig gut. Eine Ortsveränderung in wärmere Gefilde fast noch ein bisschen mehr. Auch wenn wir kein Ziel haben, kommen wir hier in Neapel voll auf unsere Kosten. Essen hier richtig gute Pizza und stolpern quasi im Vorbeigehen über richtig tolle Spots. Wie zum Beispiel die Galleria Umberto I. Eine Galerie, in der man plötzlich das Gefühl hat nicht mehr in Neapel zu sein, sondern irgendwo mitten drin im schicken Mailand. Zeit zum Vermissen bleibt kaum mehr. Und nach den spärlichen Information zu urteilen, die mich aus der Heimat erreichen, dürften auch Madame, Monsieur und der Herr eine richtig tolle Zeit zu dritt haben. So soll es sein!
Freitag.
Am nächsten Tag geht es für uns nach Pompeji – einer der wohl bekanntesten Sehenswürdigkeiten in der Nähe von Neapel. Obwohl ich schon das dritte Mal dort bin, ist es nach wie vor faszinierend und gleichzeitig erschütternd zu sehen, wie diese Leute vor mehr als zweitausend Jahren gelebt haben und quasi mitten in der Nacht vom Vulkanausbruch überrascht wurden. Zugegeben, heute fällt es mir gar nicht so leicht ‚alleine‘ zu sein. Zu gerne hätte ich zumindest die wissbegierige Madame dabei, um mit ihr alles zu entdecken, auf den Spuren vergangener Tage zu wandeln und nach Erklärungen zu suchen. Deswegen werden von mir heute besonders viele Fotos Richtung Heimat geschickt… Wobei, das mit dem ‚Alleinsein‘ stimmt nur bedingt. Ich habe ja schließlich meine Eltern und meine Schwester dabei, mit der ich es übrigens sehr genieße wieder einmal unterwegs zu sein. Denn die Sister-Time ist in letzter Zeit definitiv viel zu kurz gekommen. Was eventuell daran liegt, dass sie bei Madame und Monsieur sehr hoch im Kurs steht. Und somit in jeder freien Minute, in der sie sie sehen von ihnen belagert wird.
Deswegen geht es am Nachmittag auch nur zu viert auf Entdeckungsreise. Und zwar durch das U-Bahnsystem Neapels. Das mag im ersten Moment zwar komisch klingen, ist es aber gar nicht. Denn viele Stationen der Metro sind richtige Kunstwerke. Schon interessant. Ob das wirklich das Must-See ist, darüber lässt sich zwar streiten, aber es ist richtig toll wieder einmal so wie früher unterwegs zu sein. Gemeinsam durch die Stadt zu streifen, zu tratschen und dabei einfach das Leben zu genießen. An dieses dolce Vita könnte ich mich schon gewöhnen. Wobei – wahrscheinlich ist das auch nur so lange interessant ist, so lange man sonst noch so etwas wie einen Alltag hat.
Samstag.
Tja, und wie das im Urlaub immer so ist, ist auf einmal auch schon der letzte volle Tag angebrochen. Ziel des heutigen Tages: Capri. Die Insel, auf der die Reichen und Schönen und alle, die sich sonst noch hingezogen fühlen, Urlaub machen. Wir fahren recht unglamourös, dafür aber bequem, mit der Fähre über. Im Hafen angekommen finden wir uns in einer komplett anderen Welt wieder. Malerische Häuser säumen den Hafen. Anstatt Bergen von Müll (wie es in Neapel leider tatsächlich der Fall ist), wimmelt es hier nur so von Touristen und Ausflüglern, wie wir es sind. Kein Wunder – das Wetter zeigt sich heute auch von seiner besten Seite. Sonnenschein und wunderschön blaues Meer – hier ist es richtig kitschig.
So schön es auch ist, hier am Hafen wollen wir nicht bleiben. Wollen etwas sehen von der Insel. Und wie kann man das am besten machen? Richtig – man sucht sich einen Aussichtspunkt. Und den finden wir eher durch Zufall, als durch alles andere, in Form einer Rooftop-Bar. Hier merken wir zum ersten Mal: Die Preise auf Capri sind gesalzen, was uns aber nichts an der Freude an der schönen Aussicht nimmt. Manchmal hat Aussicht eben ihren Preis.
Wenn wir schon von Aussicht sprechen: Am Nachmittag wagen wir uns noch viel höher hinauf. Auf Capri gibt es nämlich noch ein Highlight: Einen Einser-Sessellift, der einen an den höchsten Punkt der Insel befördert. Die Fahrt ist spektakulär. Hier bin ich zum ersten Mal so richtig froh, die Kinder nicht dabei zu haben. Ich wüsste nämlich nicht wie ich die Fahrt überstanden hätte, ohne permanent daran denken zu müssen, wie ich Madame oder Monsieur davon abhalten kann, aus dem Sessel zu köpfeln. Okay, wahrscheinlich ganz easy – aber wie ich nun mal so bin, läuft mein Kopfkino auf Hochtouren. Dementsprechend froh bin ich, dass die einzigen angsterfüllten Gedanken des Tages meinen Schuhen gelten, die an manchen Liftstützen einem Absturz gefährlich nahe sind.
Auch wenn der Ausblick von hier oben richtig toll ist – so entspannt wie die letzten beiden Tage bin ich heute nicht mehr. Ich habe nämlich noch kein Mitbringsel für den kleinen Monsieur (Für Madame habe ich noch am ersten Tag etwas gefunden). Und die Zeit tickt allmählich. Auch wenn die beiden nichts brauchen, und sich bestimmt über meine Rückkehr auch so freut, möchte ich ihnen immer gerne etwas mit nach Hause bringen. Schließlich habe ich es als Kind geliebt, wenn mir jemand etwas von seinen Reisen mitgebracht hat. Ich freue mich übrigens auch jetzt noch über Mitbringsel aller Art! Zum Glück geht die Geschichte heute noch gut aus: Nach einer Jagd durch die Geschäfte Capris, für die ich sogar auf das Plantschen im Meer verzichte, finde ich doch noch etwas Passendes. Zum Glück. So kann ich mit gutem Gewissen wieder nach Hause fliegen.
Auch dieses Mal muss ich sagen: Selbst wenn das Vermissen meist groß ist, hat es schon Vorteile ohne die Kinder zu verreisen. Man muss sich in der Früh nicht aufwecken lassen. Nicht schauen, dass alle angezogen sind und alle ihre sieben Zwetschken beieinander haben. Sondern kann einfach einmal nur für sich und sein Glück selbst verantwortlich sein. Dennoch freue ich mich schon wieder auf die nächste Reise mit Kindern. Denn man erlebt und sieht die Orte mit ihnen ganz anders.
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