NichtsdestoTROTZ
Madame sitzt nämlich mit einem Schuh bekleidet am Gang und spielt sich. Räumt zum gefühlt einhundertsten Mal ihre Schuhe aus dem Regal. Jeden einzeln. Und das sehr sorgfältig. Macht keine Anstalten ihren zweiten Schuh auch anzuziehen. Anfangs finde ich das Spiel noch lustig. Doch je mehr Minuten vergehen, desto unflexibler werde ich. Innerlich zumindest.
Als sie auch nach wiederholtem freundlichen Auffordern nichts dergleichen tut, beschließe ich ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen. Und versuche ihr den Schuh anzuziehen. Gar nicht so einfach. Geschickt schafft sie es, sich immer wieder so zu verdrehen, dass ich keine Chance habe. Und hüpft triumphierend mit nur einem Schuh durch die Wohnung.
Mein Geduldsfaden ist kurz vor dem Reißen. Und das lasse ich sie spüren. Indem ich immer lauter werde. Denn die Zeit drängt. Schließlich schaffe ich es sie einzufangen und fertig anzuziehen. Zwar mit Müh und Not, aber immerhin. Nur das passt der kleinen Maus so ganz und gar nicht in den Kragen. Und das tut sie auch lautstark kund. Mit Weinen und Gebrüll. Und vielen Kullertränen.
Und – wie soll es anders sein – bekommt sie gleich Unterstützung. Denn der kleine Monsieur lässt es sich nicht nehmen, sich mit ihr zu solidarisieren. Und das mit voller Schreikraft. Ich kann nicht mehr. Bin kurz davor zu explodieren. Ich muss die Notbremse ziehen. Also atme ich einmal tief durch und verlasse gemeinsam mit Monsieur die Wohnung. Soll der Herr schauen, wie er mit ihr fertig wird.
Vom schlechten Gewissen geplagt warte ich im Stiegenhaus auf die beiden. Schließlich ist es heute meine Aufgabe Madame zur Tagesmutter zu bringen. Keine fünf Minuten später kommen die beiden auch. Gut gelaunt und bis über beide Ohren grinsend. Keine Spur von mehr von trotzig. Keine Spur mehr von Wut. Als ich sie so sehe, tut es mir leid. Leid, dass ich nicht durchgehalten habe. Leid, dass ich nicht anders reagieren konnte…
Während ich so gewartet habe, bin ich auf einen interessanten Artikel gestoßen. Einen Artikel der die Phasen des Trotzes beschreibt. Ein Artikel, indem steht dass Kinder nicht weinen, weil sie die Eltern noch mehr auf die Palme bringen wollen. Ganz im Gegenteil – sie weinen aus Selbstschutz. Denn Weinen hat schmerzlinderne Kräfte. Und traurig sein, beziehungsweise den eigenen Willen nicht bekommen tut manchmal ganz schön weh… Mit diesem Wissen im Hintergrund ist es mir bis jetzt viel leichter gefallen, solche Anfälle von Madame zu akzeptieren. Ich hoffe es bleibt dabei!
Allerdings kann ich den Artikel nicht mehr finden. Sobald ich ihn habe, verlinke ich ihn hier!
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