Eine Fahrt ins (dunkel)Blaue
Wir sitzen am Fahrrad. Madame und ich. Haben nur ein Ziel vor Augen: Das Heidelbeerland. Schon lange habe ich es Madame (und mir) versprochen. Und heute ist es soweit. Endlich. Das Wetter ist perfekt. Es ist nicht ganz so heiß wie die letzten Tage. Und auch leicht bewölkt. Ideales Fahrradausflugswetter im Sommer.
Oder etwa doch nicht? Irgendwie ziehen immer mehr dunkle Wolken am Himmel auf. Es riecht nach Gewitter. Egal, heute gibt es keine Ausreden. Wir haben bestimmt Glück. Das wird uns schon nicht treffen. Und außerdem habe ich mir unser Vorhaben schon zu fest in den Kopf gesetzt. Und die kleine Madame will ja auch nicht enttäuscht werden. Logisch. Es geht also gar nicht mehr anders.
Am besten gar nicht zu viel darüber nachdenken. Und einfach los radeln. Am Weg kommen mir erste Zweifel. Es wird immer dunkler. Und dunkler. Es scheint so, als würden wir direkt in etwas hinein fahren. Auch Madame bemerkt den Wetterumschwung. Beziehungsweise das Donnergrollen in der Ferne. Wird uns schon nicht erwischen, denke ich mutig und radle weiter. Im Schneckentempo wohlgemerkt. Zu meiner Verteidigung: Es ist heiß. Ich bin schwanger. Und mein Fahrrad hat nur einen Gang. Aber immerhin, wir radeln!
Nach einer gefühlten Ewigkeit sind wir dann auch tatsächlich da. Angekommen im Heidelbeerland. Und das trocken. Naja, bis auf den Schweiß, der mir auf der Stirn steht. Madame, die ist trocken. Aber sie durfte ja gemütlichst den Fahrtwind genießen. Wie schön doch so ein Kinderleben sein muss. Egal, jetzt sind wir da. Madame kann es kaum erwarten die süßen Beeren zu pflücken. Und zu kosten. Ich auch nicht. Also stürzen wir uns direkt hinein. Hinein in die blauen Fluten.
Ein heftiges Donnergrollen reißt mich abrupt aus dem Tagträumeland. Zurück in die Realität. Ein Blick gegen Himmel verheißt nichts Gutes. Es ist ganz schön dunkel geworden. Wir müssen uns beeilen, wenn wir heute noch mit Heidelbeeren in unseren Dosen und nicht in den Bäuchen nach Hause kommen wollen. Jetzt muss es wirklich schnell gehen. Im Akkord pflücke ich die dunklen Beeren. Auch Madame versteht die Lage (oder ihr ist einfach schon schlecht vom Naschen) und hilft fleißig mit.
Das Gewitter, oder besser gesagt der Regen, scheint immer näher zu kommen. Wir haben erst einen Becher voll gebracht, als es langsam beginnt zu tröpfeln. Mit schönen dicken Tropfen. Mir schwant Übles – wenn es so wie die letzten Tage wird, dann werden wir innerhalb von Sekunden so nass sein, dass wir für heute alles abgedeckt haben. Duschen. Wäschewaschen. Und den Schwimmbadbesuch. Nur eben alles von oben. Schnell schnappe ich Madame und versuche uns beide beim Eingangszelt in Sicherheit zu bringen. Und das keine Sekunde zu spät. Kaum stehen wir unterm Dach beginnt es zu schütten. Aus vollen Kübeln. Weltuntergangsstimmung deluxe.
Madame hat Angst. Mama gefällt es. Also nicht die Tatsache, das Madame Angst hat. Nein. Ich genieße die romantische Stimmung. Wie gerne ich einen schönen Sommerregen mag. Einzige Bedenken meinerseits: Werden wir es überhaupt noch mit dem Rad nach Hause schaffen? In meinem Kopf spielen sich zig Szenarien ab. Wer könnte uns hier abholen? Meine Eltern – nicht da. Für ein Taxi habe ich zu wenig Bargeld dabei. Und öffentliche Verkehrsmittel gibt es in der Nähe nicht wirklich. Also heißt es erst einmal abwarten. Abwarten und weiter die süßen Beeren naschen. Auch schön.
Und dann tatsächlich – der Regen lässt etwas nach. Wir müssen die Gunst der Stunde nutzen. Jetzt oder nie. Schnell setzte ich Madame in ihren Kindersitz, schnalle sie an und radle los. Und das sogar verhältnismäßig schnell. Schneller als zumindest zuvor. Aber mit dem Regen im Nacken… Und tatsächlich, wir schaffen es halbwegs trocken nach Hause. Was bin ich froh! Zwar mit viel weniger Heidelbeeren als gedacht im Gepäck, dafür aber super satt. Und super glücklich. Alles in allem war das nämlich ein toller Ausflug. Es wird bestimmt ein nächstes Mal geben. Diesmal aber nicht, ohne vorher den Wetterbericht zu checken. Aus Fehlern sollte man ja bekanntlich lernen!
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