Wenn Mama und Papa sturmfrei haben…
Viel zu lange ist es schon hergewesen. Viel zu lange gab es keine richtige Zeit zu zweit. Doch dieses Wochenende ist es so weit. Endlich. Der Herr und ich haben sturmfrei. Und das nicht nur am Abend, sondern die ganze Nacht.
So verlockend er auch ist, der Gedanke daran, so schwer fällt es mir auch mich davon zu befreien. Ich bin hin und her gerissen. In meinem Kopf reiht sich ein Gedanke an den nächsten. Sollen wir das wirklich machen? Monsieur bei Oma und Opa schlafen lassen? Wie wird er das aufnehmen? Hat er doch bis dato jede einzelne Nacht in meiner Nähe verbracht. Das ganze letzte Jahr. Und noch viel länger (Wenn man die Zeit in meinem Bauch dazu zählen will).
Doch meine Gedanken werden plötzlich unterbrochen. Es klingelt an der Tür – die Oma ist da, um ihn abzuholen (natürlich auch Madame, aber die ist ja schon ein alter Hase in dem Geschäft). Ich gebe mir einen Ruck. Versuche in eine andere Richtung zu denken. Hand aufs Herz: Was soll schon sein. Und überhaupt: Die Oma wohnt ja nicht aus der Welt. Sollte wirklich etwas sein, können wir ihn jederzeit holen fahren. Das beruhigt mich. Noch mehr beruhigt mich der Fakt, dass Madame dabei ist. Als seelische Unterstützung quasi.
Man muss nämlich wissen, Monsieur ist doch recht sensibel. So ganz anders als seine Schwester. Wäre sie in dem Alter mit jedem Fremden mitgegangen, ist der kleine Mann wählerisch. Manchmal fast etwas zu wählerisch. Für meinen Geschmack. Da haben nicht einmal Oma und Opa die Ehre ihn auf den Arm zu nehmen. Und das wäre im heutigen Fall doch eher schlecht als recht.
Aber heute ist es anders. Zum Glück. Monsieur schafft es recht schnell sich wieder mit seiner Oma anzufreunden. Zwar nicht ganz ohne Protest, aber immerhin. Ob er spürt, dass ich mich nicht ganz lösen kann? Wahrscheinlich.
Tja, und dann ist es auf einmal tatsächlich so weit. Zack – Die Tür ist zu. Monsieur ist weg. Die Würfel sind also gefallen. Das Experiment hat gestartet. Und wir sind alle mitten drin. Und plötzlich überkommt es mich. Ich fühle mich allein. Der Herr ist (noch) nicht da. Es fühlt sich leer an, ohne die beiden Rabauken. Gut, dass für heute noch so einiges am Programm steht. Und ich mich so ablenken kann. Der Herr und ich gehen nämlich aus. Beziehungsweise gehe ich dorthin, wo er heute Abend für die Musik sorgt. Endlich wieder einmal.
Auf der Party fällt es mir schwer, mich fallen zu lassen. Meine Gedanken kreisen ständig um Monsieur. Ich befinde mich in einer prekären Situation. Denn die Oma anzurufen und einmal nachzufragen (die eigentlich einfachste Lösung), das will ich auch nicht. Es soll ja nicht so aussehen, als hätte ich kein Vertrauen. Und nerven will ich sie schon gar nicht. Was also tun? ich beschließe vorerst meine Gedanken, Gedanken sein zu lassen und mache weiter wie bisher.
Doch schon bald bemerkt auch der Herr, dass ich mich nicht so wohlfühle. Weswegen er sogleich die Initiative ergreift und beschließt bei seiner Mama einmal nachzufragen. Nach einer gefühlten Ewigkeit des Telefonierens kommt er zurück, um mir das mitzuteilen, was ich die ganze Zeit über gehofft habe: Es ist alles in bester Ordnung. Monsieur geht es gut. Madame sowieso. Aber irgend etwas stimmt hier nicht. Sagt mir zumindest mein Gefühl. Denn das Telefonat hat lange gedauert. Zu lange für meinen Geschmack.
Wie auch immer. Ich schaffe es zumindest mich etwas zu entspannen. Jetzt ist es zumindest nur noch jeder zweite Gedanke, der sich um den kleinen Mann dreht. Bis auf einmal mein Handy piepst. Mein Puls schnellt in die Höhe. Ich lasse fast mein Glas fallen. Auf dem Display sehe ich die Vorschau von einem Bild. Ein Bild vom kleinen Monsieur, der lachend in die Kamera schaut. Und mehr als zufrieden aussieht. Ich bin erleichtert. Als ich kurze Zeit später auch noch die Nachricht bekomme, dass er friedlich in seinem Bettchen schläft, kann man die Steinlawine, die mir vom Herzen fällt, förmlich hören.
Alle meine Zweifel sind beseitigt. Meine Angespanntheit ist wie weggeblasen. Jetzt (endlich) kann ich den Abend in vollen Zügen genießen. Experiment geglückt würde ich sagen!
Was mein Gefühl betrifft: Es hat mich nicht getäuscht. Der Herr hat mich nach dem Telefonat mit seiner Mama doch ein kleines Detail verschwiegen. Er hat nämlich gerade einen Moment erwischt, indem Monsieur gerade nicht so pflegeleicht gewesen ist, und etwas Radau geschlagen hat. Wie auch immer. Ich bin ihm nicht böse. Ganz im Gegenteil: Da er seine Mama kennt, war sein Vertrauen in sie groß (Größer als meines zu dem Zeitpunkt gewesen wäre. Denn ich hätte mich danach wahrscheinlich instant zusammen gepackt und auf den Weg zum kleinen Mann gemacht). Und das ist gut so. Denn so konnte ich wieder einmal erfahren, wie toll es eigentlich sein kann die ganze Nacht lang ein ganzes Bett nur für sich zu haben 😉
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